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Mit 1S-LSD wird das verbotene LSD wieder legal

  • Autorenbild: Alex
    Alex
  • 16. Aug. 2024
  • 7 Min. Lesezeit

1D-LSD ist tot, lang lebe 1S-LSD. Dies ist mehr oder weniger das Gefühl, das einen bei der Beobachtung der Entwicklung des Legalitätsstatus rund um LSD und seine Derivate, also chemisch sehr ähnlich aufgebaute Abkömmlinge, überkommt. Gepaart mit einem Ohnmachtsgefühl des Stillstandes. Am 14.06.24 beschloss die Bundesregierung die fünfte Novelle des Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NPSG), welches die bislang legal erhältliche LSD-Variante 1D-LSD verbietet. Es dauerte exakt eine Woche, bis der erste Online-Händler für legales LSD verkündete, er hätte ein neues Derivat namens 1S-LSD zur Verfügung, welches auch nicht von der Anpassung des NPSG betroffen sei, und er jetzt Bestellungen entgegennehmen würde.

Was ist da eigentlich passiert? Warum gibt es legales LSD, wenn dies doch eine verbotene Substanz ist? Was genau ist das NPSG und wie kann es sein, dass dies innerhalb kürzester Zeit erneut (!?) ausgehebelt wird? Dieser Blog-Post wird diese Fragen beantworten.



Was ist das NPSG?


Verbotene psychoaktive Substanzen, a.k.a. Drogen, wie z.B. Heroin, Amphetamine oder LSD, sind normalerwiese im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) reguliert. Dieses stellt zwar den Konsum selbst nicht unter Strafe, aber sämtliche Aktivitäten, wie das Herstellen, Inverkehrbringen oder Erwerben, sodass ein straffreies Konsumieren strenggenommen rechtlich gesehen nicht möglich ist, da sich hierfür immer jemand erst straffällig gemacht haben muss [2].

Um diesen Umstand zu umgehen, kamen findige Chemiker auf Idee, eine betroffene Substanz chemisch leicht zu verändern, sodass ein strukturell und im Wirkspektrum sehr ähnliches Molekül entsteht, dieses jedoch nicht mehr vom BtMG erfasst ist. Dadurch erhält diese rechtlich gesehen einen legalen Status und kann entsprechend legal verkauft werden. Zur weiteren rechtlichen Absicherung deklarieren die Händler dieser nicht erfassten, neuartigen psychoaktiven Substanz diese als sogenannte Forschungschemikalie, die nicht zum menschlichen Verzehr geeignet sei, auch wenn sie natürlich genau dafür geschaffen wurden. Teilweise wurden und werden diese Substanzen als „Legal Highs“ vermarktet. Ein Beispiel hierfür ist die Vermarktung von synthetischen Cannabinoiden (Wirkstoffe, die die Wirkung von Cannabis imitieren) als legale Cannabis-Alternative „Spice“, die auf Kräutermischungen gesprüht werden, oder synthetische Cathinone (aufputschende Stimulanzien) als „Badesalze“. Dabei gehen diese mit erheblichen Risiken einher, da diese synthetischen Substanzen nicht selten deutlich potenter und gefährlicher sind als die verbotenen Original-Substanzen. Ebenso sind diese neuartigen Substanzen nicht erforscht, sodass im Vergleich zur Original-Substanz kein greifbares Risikoprofil besteht, bei dem Risiken entsprechend eingeschätzt werden können. So wird bspw. eine mit synthetischen Cannabinoiden versetzte Kräutermischung zu einer potenziell tödlichen Angelegenheit, wogegen eine tödliche Überdosierung mit dem klassischen, natürlichen Cannabis lediglich eine theoretische Möglichkeit darstellt, die durch den Konsum in der Praxis jedoch nicht erreicht wird, da Mengen konsumiert werden müssten, die durch das simple Rauchen von Cannabis in einem entsprechenden zeitlichen Rahmen nicht erreicht werden können [3].

Um diesem Vorgehen einen rechtlichen Riegel vorzuschieben, führte der Gesetzgeber 2016 das Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz ein, welches im Gegenzug zum BtMG noch einen Schritt weiter geht, in dem es nicht einzelne Substanzen, sondern ganze Substanzgruppen erfasst. Dies funktioniert, in dem es zu einer Substanzgruppe zum einen die Grundstruktur des Moleküls, als auch mögliche chemische Strukturen (sogenannte Restgruppen), die an diese Grundstruktur angehängt werden könnten, definiert. Abb. 1 veranschaulicht die Grundstruktur des LSD mit Rx gekennzeichneten Positionen, an die die Restgruppen angehängt werden können.  Dieses Vorgehen machte zum damaligen Zeitpunkt dem Vertrieb sämtlicher Derivate mit einem Schlag den Gar aus [4].


Abb. 1 Grundstruktur von LSD mit Nummerierung der Substituenten entsprechend der Anlage zum deutschen NpSG [5]

Und warum gibt es dann nach wie vor legale Derivate?


Dies hängt mit der benötigten Eindeutigkeit der Gesetzesbildung zusammen. Neben der Grundstruktur des Moleküls müssen die Restgruppen eindeutig benannt werden, um die Rechtssicherheit gewährleisten zu können. Ansonsten können die Gerichte dieses Gesetz nicht sinnvoll anwenden. Würde zudem nur die Grundstruktur verboten werden, könnte dies dazu führen, dass auch Substanzen verboten werden, die nicht psychoaktiv sind und ggf. in anderen Bereichen genutzt werden, sodass hier ein Verbot auch nach der Logik der prohibitionistischen Drogenpolitik nicht zu rechtfertigen wäre. Kurzgesagt: es kann im Grunde nur das verboten werden, das bekannt ist. Neben den bekannten Kombinationen aus Grundstruktur und Restgruppen sind noch gefühlt unzählige unbekannte Kombinationsmöglichkeiten vorstellbar. Genau dies führt zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gesetzgeber und Anbietern von diesen neuen psychoaktiven Substanzen. Der Gesetzgeber passt das NPSG an, sodass die legal erhältlichen Derivate ebenfalls erfasst werden, worauf die Anbieter die Substanzen erneut leicht abwandeln, dass die neuen Substanzen wiederum nicht mehr vom NPSG erfasst werden und legal sind. Dieser Prozess setzt sich seit Jahren fort, wobei die Anbieter rechtlich nicht belangt werden können, da sie vor dem Gesetz nichts Verbotenes tun, solange sie die Anpassungen des NPSG rechtzeitig wahrnehmen und die neu verbotenen Substanzen vom Markt nehmen.



Wie passt da jetzt LSD mit seinen Varianten rein?


LSD stellt eine Art Sonderfall dar. Im Vergleich zu synthetischen Cannabinoiden oder Cathinonen, sind LSD-Derivate nicht unbedingt potenter oder wirken sehr unterschiedlich, sondern sie stellen in der Regel sogenannte Pro-Drugs dar. Pro-Drugs sind Substanzen, die durch den menschlichen Stoffwechsel in psychoaktive Substanzen umgewandelt werden, sodass diese dann ihre jeweilige Wirkung entfalten. Bei diesen LSD-Derivaten spaltet sich die zuvor zusätzlich angehängte Restgruppe vom restlichen Molekül ab, sodass am Ende des Prozesses neben der abgespaltenen Restgruppe das klassische LSD-Molekül vorliegt, welches dann seine bekannte psychedelische Wirkung entfaltet. Abb. 2 veranschaulicht dies am Beispiel des Derivats 1P-LSD, bei dem die in rot eingekreiste, namensgebende Propionyl-Gruppe an der Position R1 vom Molekül abgespalten wird und dann ein reguläres LSD-Molekül im menschlichen Körper vorliegt. Bei diesen Derivaten wirkt demnach am Ende exakt die Substanz, die eigentlich über das BtMG verboten wurde. Das angestrebte Verbot des Gesetzgebers wurde damit sogar so umgangen, als wäre das klassische LSD im Grunde genauso verfügbar wie vor der Illegalisierung der Substanz.


Abb. 2 Molekülstruktur von 1P-LSD mit in rot eingekreister Restgruppe, welche abgespalten wird

Durch das bereits erwähnt Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gesetzgeber und Anbieter zeigten sich dann über die Jahre die verschiedensten Derivate: 1P-LSD, 1CP-LSD, 1V-LSD, 1D-LSD oder aktuell das 1S-LSD, wobei sich die jeweiligen Namen an den individuellen Restgruppen orientieren [5]. Die Gesetzeslage funktioniert nicht und erreicht nicht das Ziel, welches eigentlich erreicht werden soll. Das Angebot wird leicht verändert, aber es reißt nicht ab. Ständig werden neue Möglichkeiten an Molekülkombinationen gefunden, mit denen das NPSG umgangen werden kann. Die Blaupausen für neue mögliche Derivate liegen bei den Herstellern in der Schublade bereit und sobald eine neue Novelle des NPSG verabschiedet wird, wird ein neues Derivat, welches weiterhin nicht vom NPSG erfasst ist, ausgesucht und quasi ohne abreißende Lieferkette vermarktet. Die Hersteller und Händler sind nicht zu greifen, da diese den rechtlichen Rahmen der Legalität nicht verlassen. Den potenziellen Schaden tragen die Konsumierenden, denn jedes Derivat ist erst einmal eine eigenständige Substanz und zu einem neuen Derivat besteht keine Forschungslage, sodass im Gegensatz zum klassischen LSD, welches seit Jahrzehnten wissenschaftlich studiert wird, höchstens Mutmaßungen über das jeweilige Risikoprofil angestellt werden können. Die aktuelle Forschung wird kurzgesagt mit jeder Novelle des NPSG mehr oder weniger wieder auf null gesetzt. Bislang sind die Restgruppen in sich toxikologisch gesehen relativ irrelevant gewesen (bei bspw. 1V-LSD ist dies lediglich eine Fettsäure), zumal auch die betrachteten Mengen beim Konsum im unteren Mikrogramm-Bereich (1 Mikrogramm = 1 Tausendstel Milligramm) vorliegen, jedoch wäre es denkbar, dass zukünftige Restgruppen gefährlicher sind [6]. Vom Risikopotential des LSD selbst einmal abgesehen.



Was heißt das nun?


Die Situation des NPSG und insbesondere der LSD-Derivate zeichnen ein Bild, in dem es nicht möglich erscheint, eine Verbotspolitik im Umgang mit psychoaktiven Substanzen umzusetzen, um die Bevölkerung vor möglichen Schäden dieser zu bewahren. Schlimmer noch: um sich nicht straffällig zu machen, greifen Hersteller wie Konsumierende auf molekular leicht veränderte Substanzen zurück, die unter Umständen ein deutlich höheres Risikoprofil aufweisen und wesentlich tödlicher sind als die ursprünglich verbotenen Substanzen. Bei LSD zeigt sich sogar, dass im Grunde immer noch dasselbe Produkt vermarktet wird, nur in einer anderen „chemischen Verpackung“, die wiederum neue Risiken mit sich bringen könnte. Unter den gegebenen Bedingungen passieren zudem Umstände, in denen LSD-Derivate bspw. an öffentlich zugänglichen Automaten zwischen Schokoriegel und Gummibären verkauft werden [7]. Und dies sendet nun wirklich ein falsches Signal, denn der Konsum von LSD ist alles andere als risikofrei, insbesondere, wenn sich der Konsumierende nicht mit der Substanz und seiner eigenen Psyche auseinandergesetzt hat und weiß, was diese Substanz mit ihm macht.

An dieser Stelle soll explizit darauf hingewiesen werden, dass von einem Konsum von LSD-Derivaten und insbesondere von synthetischen Cannabinoiden und Cathinonen abzuraten ist.

Wie sich dieses Hin-und-her zwischen Gesetzgeber und Anbietern von Derivaten langfristig entwickeln wird, wird die Zukunft zeigen. Bleibt nur zu hoffen, dass die möglicherweise auf dem Weg entstehenden Schäden in der Bevölkerung gering ausfallen.

 

 

 

Quellen:


[1] Bundesrat. (o. D.). Fünfte Verordnung zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes. Bundesrat. Abgerufen am 16. August 2024, von https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2024/0201-0300/0202-24.html



[3] WHO Expert Committee on Drug Dependence. (2018). Critical review: Cannabis and Cannabis resin.



[5] Wikipedia. (2021). Liste von LSD-Analoga. Abgerufen am 16. August 2024, von https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_LSD-Analoga


[6] Schmidt, J., Steinmetz, F., Dr. & Piest, A. (2024, 6. Juni). LSD-Derivate & Prodrugs - Wirkt hier alles wie beim Mutterschiff? Nachtschatten - Der Podcast über Drogen und Nachtleben. https://open.spotify.com/episode/3sQc0VV8c3cFYnDjfQKqsp?si=bc049433bb82445a


[7] Winter, P., Laufen, K. & Schulz, L. (2024, 6. April). Gefährliche Gesetzeslücke: „Legales LSD“ aus Automaten in BW. swr.de. https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/legale-lsd-derivate-aus-automaten-bw-100.html




Pass auf Dich auf!


Der Konsum von legalen wie illegalisierten psychoaktiven Substanzen ist immer mit Risiken verbunden.

Vor dem Konsum sollten reichlich Informationen über die entsprechende Substanz aus verschiedenen Quellen eingeholt werden.

Ebenso sollten der Konsumform entsprechende Safer-Use-Regeln eingehalten werden, um mögliche Risiken zu minimieren.

Solltest Du allgemein oder im Zusammenhang mit psychoaktiven Substanzen eine bedrückende, die Lebensqualität mindernde Last auf deinen Schultern spüren, wende Dich bitte an eine Vertrauensperson und/ oder medizinisches Personal, wie einem Psychotherapeuten. Mentale Gesundheit ist etwas, das nicht vernachlässigt werden sollte. Sich Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Stärke. Du übernimmst Verantwortung für dein Wohlbefinden und damit auch dein Leben!

Grundsätzlich gilt: Der sicherste Konsum findet nicht statt!

 

Hinweis:

Dieser Blog dient der Aufklärung und Vermittlung von Wissen zu psychoaktiven Substanzen. Dies ist NICHT als Aufforderung zum Konsum zu interpretieren. Es wird anerkannt, dass Menschen unabhängig von Verboten legale wie illegalisierte psychoaktive Substanzen konsumieren. Dabei würde nicht vorhandenes oder gar falsches Wissen die möglichen Risiken des Konsums verstärken. Informierte Menschen können mündige Entscheidungen treffen und die Gefahr von schwerwiegenden Komplikationen dadurch reduzieren

 
 
 

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